Vortex Venom - Micro Red Dot im Schützen- und Jagdalltag

Jagdfett
14 Min. Lesezeit

Mikro-Reflexvisiere auf Pistolen sind inzwischen keine Seltenheit mehr. Viele Hersteller rüsten ihre Pistolen ab Werk mit einer Halterung inkl. Verschiedener Adapterplatten aus. Aber was kann ein solches Visier neben einem extravaganten Erscheinungsbild bieten? Seit über 2 Jahren habe ich nun das Mikro-Reflex-Sight Vortex Venom in der 3 MOA-Ausführung auf einer Glock 17 Gen 4 MOS sowohl im sportlichen als auch jagdlichen Einsatz. Deshalb will ich meine positiven sowie negativen Erfahrungen mit euch teilen und damit meine Geartester-Karriere beginnen. Weitere Reviews v.a. von Jagdausrüstung sind aktuell jedoch schon in Planung.

Abbildung 1: Ein Mikro-Reflexvisier verleiht der Pistole eine ganz besondere Optik

Allgemein

Mein Reflexvisier ist das Vortex Venom in der 3 MOA-Ausführung mit kleinem Leuchtpunkt für etwa 280 €. Dies ist die Weiterentwicklung des Vortex Viper Reflexvisiers mit einem größeren Glas und offenen Höhen- und Seitenverstellungen sowie automatischer Leuchpunktintensität.

Auf die Firma Vortex bin ich nach weniger guten Erfahrungen mit dem deutschen Noblex (Docter) Sight C gekommen, welche am Ende dieses Artikels behandelt werden (*). Insgesamt bin ich mit dem Vortex Reflexvisier (das bei mir nicht geschont wird) nach über 2 Jahren und weit über 1000 Schuss noch vollkommen zufrieden.


Lieferumfang und Garantie

Das Vortex Venom Red Dot Visier wird mit Schrauben, einer Gummi-Schutzhaube sowie einem Picatinny-Adapter geliefert und überzeugt allein schon mit der, meines Wissens nach, besten Garantie für optische Geräte. So sollen selbst bei versehentlichen selbstverschuldeten Beschädigungen Produkte lebenslang repariert oder ersetzt werden. Viele andere, auch deutsche, Hersteller geben zwar in den USA ebenfalls eine solche Garantie, die europäischen Waidmänner werden jedoch mit einer simplen 2 – 10 - jährigen Standardgarantie (ohne unsachgemäße Behandlung, Unfälle etc.) gemolken. Ich habe diese Garantie zwar noch nie in Anspruch nehmen müssen, jedoch habe ich die schriftliche Bestätigung von Vortex, dass diese auch hier gewährt wird.

Abbildung 2: Das Vortex-Visier wird in einer ansprechenden Verpackung samt Picatinny-Adapter geliefert

Montage und Features

Auf der Waffe montiert (In der Glock MOS-Version nimmt man die Docter/Meopta-Montageplatte) ergibt sich ein optisch ansprechendes Gesamtbild mit dem Vortex Venom und die Kombination ist definitiv ein Hingucker auf den Schießständen von Jägervereinen und Schützenhäusern. So sexy wie ein Trijicon RMR oder RMS Shield ist es zwar leider nicht, jedoch zählt letztendlich die Funktion. Die beiliegende Schutzkappe passt durch die versenkte Montage auf der Glock MOS nur halb und kann nicht arretieren. Aber wer braucht bei einem derart stabilen Produkt mit lebenslanger Rundum-Sorglos-Garantie diese eigentlich wirklich?

Abbildung 3: Die Schutzkappe sitzt auf dem versenkten MOS-Schlitten nur mäßig und kann nicht einhaken

Ist das Vortex Venom Reflexvisier mit Loctite an den zwei Inbus-Schrauben montiert, wird die Batterie (CR1632) in das von oben zugängliche, wasserdichte Fach eingelegt. Die Batterie habe ich bis jetzt noch nicht wechseln müssen, dabei ist das Red-Dot beim jagdlichen Mitführen durchgehend an und einsatzbereit um keine wichtige Zeit durch das Einschalten zu vergeuden.

Abbildung 4.1: Das Wechseln der Batterie ist einfach und ohne erneutes Einschießen möglich
Abbildung 4.2: Das Wechseln der Batterie ist einfach und ohne erneutes Einschießen möglich

Eingeschaltet wird das Vortex Venom über den Druck auf eine der beiden seitlichen Tasten, durch langen druck auf die „Runter“-Taste schaltet sich das Sight ab. Durch langen Druck auf die „Rauf“-Taste wird zwischen normalem und automatischem Modus gewechselt. Diesen nutze ich standardmäßig, da hier über einen vorne befindlichen Lichtsensor die Helligkeit konsequent nachgeregelt wird. Sollte man den Punkt vergessen wird nach 14 h automatisch abgeschaltet. Die Helligkeit ist damit ideal, vom Nachtansitz bis zum gut beleuchteten Schießstand. Lediglich auf einer Nachsuche stelle ich für die schnellstmögliche Zielerfassung den Leuchtpunkt manuell auf die höchste Stufe. Der Leuchtpunkt ist meiner Meinung nach mit 3 MOA ideal, um auch 25 m Präzision mit viel Freude schießen zu können und dabei nicht zu viel von der Scheibe zu verdecken.

Abbildung 5.1: Blick durch das Visier. Auf der Rückseite des Visiers sind weiße Hilfslinien, welche die Kimme erhöhen sollen.
Abbildung 5.2: Die Einstellung der Helligkeit erfolgt über zwei Tasten an der linken Seite.

Ein „Co-Witness“ also eine gleichzeitige Nutzung der offenen Visierung ist durch den vergleichsweise hohen Körper des Vortex Venom Reflexvisiers nicht möglich. Hier müsste also ein Glock-SD-Visier her. Durch die hinten aufgemalte, verlängerte Kimme ist aber auch so im Notfall einigermaßen präzises Schießen noch möglich

Die Einstellung des Leuchtpunkts erfolgt mittels einer offenen Höhen- und Seitenverstellung mit relativ schwammigen, aber fühlbaren Klicks (1 MOA/Klick) Die offene Verstellung ist dabei so schwergängig, dass sich diese – auch auf der Jagd - noch nie selbst verstellt hat. Auch durch den Rückstoß ist bislang keine Treffpunktabweichung erkennbar.

Abbildung 6.1: Der Lichtsensor zu Einstellung der automatischen Heligkeit sitzt vorne im Visier und wird auch in der MOS-Version nicht verdeckt
Abbildung 6.2: Die Seiteneinstellung erfolgt am offenen Verstellrad im hinteren Bereich mithilfe des mitgelieferten Schraubenziehers.

Im Einsatz - Meine Praxiserfahrungen

Sportlich ergibt sich mit der Nutzung des Rotpunkts eine deutlich längere Lernkurve. Schützenfehler wie wackeln oder „Mucken“ bei der Verwendung von Pufferpatronen werden deutlich sichtbar und es kann intensiv an der richtigen Haltung sowie am Abzugsverhalten gearbeitet werden. Mein Anspruch war hier nie kompetitiv, jedoch ist es damit kein Problem, den schwarzen Bereich der DSB-Scheiben (20 cm @ 25 m) einzuhalten. Der Anfänger schießt jedoch mit der offenen Visierung meist präziser, da das Gewackel des Leuchtpunktes neue Schützen oftmals stark verunsichert.

Auch beim dynamischen Schießen hat sich das Red-Dot bewährt. Die schnelle Zielerfassung mit beiden Augen macht Spaß - und geht schneller als mit einer offenen Visierung. Doch auch hier ist das Training entscheidend. Anfänger werden beim Hochreißen der Pistole aus dem Hoster erst einmal keinen Leuchtpunkt sehen, da die Waffe dafür recht genau ausgerichtet sein muss. Bei Kimme und Korn ist jedoch immer genug Visierung sichtbar, um die Richtung, in welche man die Waffe zur Korrektur auf das Ziel drehen/kippen muss schnell abzuschätzen. Dies fehlt beim Leuchtpunktvisier völlig, und so sieht man Anfänger oft mit der Waffe kreisen, bis der Punkt im Fenster erscheint. Der richtige und reproduzierbare Anschlag muss also sitzen, um aus einem Geschwindigkeitsnachteil einen Vorteil zu machen.

Jagdlich ist die Glock mit dem Vortex Venom Rotpunkt bei jeder Aktivität dabei. Ohne Schutzhülle, mit angeschalteten Leuchtpunkt im Orpaz-Low-Ride-Holster (Level 2). Das Visier stört dabei nicht, jedoch kann es bei manchen Holstern durchaus zu Komplikationen mit der Optik kommen. Besonders beim nächtlichen Ansitz spielt das Red-Dot seine Vorteile aus, denn sind Standard- Kimme und Korn einfach nicht mehr erkennbar. Auch bei Nässe und -10 °C hat sich das wasserdichte Visier bisher gut geschlagen. Funktionsaussetzer gab es bisher keine. Auch mit dem Glas war ich über die Zeit nicht zimperlich. Reinigen mit Spucke und Kleidung verursacht jedoch keine sichtbaren Beschädigungen.

Abbildung 7: Die Glock trägt sich auch mit Reflexvisier im Orpaz-Holster angenehm. Bei der Holsterwahl ist das Red-Dot aber unbedingt zu berücksichtigen

Noch ein Wort zur Robustheit: Vor ca. einem Jahr fiel die Pistole von ca. 1,50 m Höhe unglücklich direkt auf das Vortex Venom Visier auf einem PVC-Boden. Dabei dellte die Aluminiumhaube ein, der Leuchtpunkt verstellte sich um etwa 15 cm auf 25 m. Nach erneutem Einschießen war die Treffpunktlage korrigiert, welche sich auch nach vielen 100 Schuss nicht verstellt hat. Für das vergleichsweise leichte Gerät eine – wie ich finde – top Leistung.

Abbildung 8: Durch einen Sturz verursachte Delle welche die Funktion nicht beeinträchtigt

Fazit

Insgesamt bin ich mehr als zufrieden mit dem Vortex Venom Reflexvisier und möchte es für kein anderes Rotpunkt-Visier auf dem Markt eintauschen. Ich bin von der Zuverlässigkeit und Funktion des Visiers absolut überzeugt und empfehle dieses Produkt gerne weiter. Wenn ich trotzdem Wünsche äußern dürfte, wären dies ein niedrigerer Korpus für die gleichzeitige Nutzung der Standardvisierung sowie ein dadurch größeres Sehfeld.

Waidmannsheil und viele Grüße!

Jagdfett


Zusatz

*Zuletzt noch eine kurze Geschichte über mein erstes Reflexvisier, das Noblex (Docter) Sight C: Nachdem ich die Glock zunächst 2 Jahre mit offener Visierung geschossen hatte wollte ich die Vorteile der MOS-Variante auch ausnutzen. Ich habe das Noblex Reflexvisier aufgrund des immer noch sehr guten Images im deutschsprachigen Raum (u.a. durch Fachzeitschriften) sowie des Synonyms „Docter Sight“ für Reflexvisiere allgemein gekauft. Das Sight C erschien mir mit den gleichen Funktionen wie das Sight III sowie einem günstigeren Preis am attraktivsten. Also gekauft, ausgepackt und die Freude war erstmal riesig. Geiles Teil, optisch wirklich ein Hit und auch auf dem Glock Schlitten macht es einen tollen Eindruck. Die Funktion scheint einwandfrei gegeben zu sein.

Wie sich beim Montieren herausgestellt hatte, waren leider die Schrauben für die MOS-Adapterplatte zu lang. Also direkt Noblex angeschrieben und nach kürzeren Schrauben für die Glock gefragt. Von Noblex kam dann die Antwort, dass sie die Schrauben gerne kostenlos zusenden, jedoch das Montieren des Reflexvisiers auf einer Pistole nicht empfehlen, da sich herausgestellt hat, dass dieses auf Pistolen nicht schussfest ist. Außerdem würden sie gerade damit beginnen, die Produktbeschreibung und den Katalog mit einem Warnhinweis zu versehen. Eine Zusage, dass Noblex mein Reflexvisier auf Garantie reparieren wird, falls es auf der Pistole Schaden nimmt, wollte man mir explizit nicht geben, sondern es kam die Aussage, dass ja nicht alle kaputt gehen würden. Sehr unbefriedigt habe ich dann das Reflexvisier direkt an den Händler zurückgeschickt und mich nach Alternativen umgesehen.

Inzwischen bin ich sehr zufrieden mit dieser Wahl, da ich mit dem Noblex Sight C eine Reihe anderer Nachteile gegenüber dem Vortex Venom gehabt hätte. So ist nach jedem Batteriewechsel der Kauf einer neuen Dichtung sowie das erneute Einschießen obligatorisch. Außerdem ist für jede Absehenverstellung eine Klemmschraube zu lösen und wieder zu fixieren. Vorteilhaft wäre die im Vergleich zum Vortex-Visier geringere Bauhöhe gewesen, wodurch die Standardvisierung nutzbar bleibt.

Die Firma Noblex bzw. Docter hat ihren guten Ruf sicher nicht umsonst erworben und ich konnte keine Beschädigung eines Reflexvisiers durch den Rückstoß erleben. Dennoch empfand ich in der damaligen Situation die plötzliche Nachricht von der Ungeeignetheit meines neuen Visiers sehr ärgerlich. Die Firma Noblex ist meines Wissens inzwischen insolvent. Die Geschäfte werden mit einer anderen Markenausrichtung von der Firma NOBLEX-E-Optics GmbH übernommen. Vielleicht hätte mit einer anderen Firmenphilosophie diese deutsche Traditionsfirma bestehen bleiben können.

Find' ich gut!

Kommentare

DerAkkerman
Neuling
vor fast 4 Jahren

Ein sehr umfangreicher und spannend zu lesender Bericht in dem nicht nur die Hersteller Daten angegeben werden sondern das was zählt die eigenen Erfahrungen Danke dafür

Freue mich schon auf weitere Berichte von dir =D

vor 10 Monaten

Lieber „Jagdfett“, vielen Dank für den „Zusatz“ zum Thema NOBLEX / Docter.
Leider haben sich hier fachlich ein paar Fehler eingeschlichen, die wir hier gerne richtigstellen möchten. Docter/NOBLEX gilt nicht umsonst als der „Erfinder“ des Red Dot Sights, da in den vergangenen 30 Jahren über 1,25 Mio. Stück an Behörden und zufriedenen Jäger und Sportschützen verkauft wurden.

Das Sight wurde ursprünglich für Jäger und hier für Langwaffen entwickelt. Das von Ihnen beschriebene Sight C war eine preiswertere, farbliche Variante der Sight III, welches auf 40m Parallaxe und für Langwaffen konzipiert wurde. Alternativ hätten wir auch zum damaligen Zeitpunkt schon das Docter/NOBLEX sight II Plus in der IPSC Ausführung für Kurzwaffe im Angebot gehabt. Dieses ist insbesondere von der Robustheit, da die mechanische Belastung auf einer Pistole, mit dem sich vor- und zurückbewegenden Schlitten, um ein vielfaches größer ist als auf einer Langwaffe, auf Kurzwaffen abgestimmt.
Ein noch wichtigerer Punkt ist allerdings die bei diesem Modell auf 25m abgestimmt Parallaxe. Diese sorgt dafür, dass der Rotpunkt auf 25m nicht „wandert“ wie Sie es in Ihrem Test so anschaulich beschrieben haben.

Im Jahr 2020 mussten wir uns aus wirtschaftlichen Gründen von dem Unternehmensbereich „Fertigungsdienstleistungen“ im Rahmen einer übertragenen Sanierung trennen. Bis dahin lieferte NOBLEX/Docter Bauteile, Komponenten sowie komplette Zielfernrohre als „Unterlieferant“ für verschiedene deutsche Optikhersteller. Leider war dieser Geschäftszweige wirtschaftlich stark defizitäre, weshalb er dann im Rahmen der Insolvenz geschlossen wurde. Der Consumer Bereich, der die Produkte für die eigene Marke NOBLEX herstellt, wird in der NOBLEX E-Optics GmbH mit den bewährten Mitarbeitern weitergeführt.
Ihr NOBLEX Team

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