Zupackender Getriebe-Zielstock aus dem 3D Drucker mit Tomatenstangen

Jagawams
15 Min. Lesezeit
Bericht des Monats Januar 2024
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Bericht des Monats Januar 2024

Dieser Bericht wurde vom Geartester-Team für besonders wertvoll befunden und deshalb ausgezeichnet.

Wie viele Beine braucht ein Zielstock? Sollten es Teleskop-Beine oder Beine aus Carbon sein? Müssen die so teuer sein? Braucht man überhaupt einen? 

Der Schaft liegt satt in der Auflage und wird aktiv in Position gehalten - da kann man als Schütze auch mal entspannen, wenn es mal länger dauert.

Letztere Frage lässt sich für mich persönlich einfach beantworten: ja, ich brauche einen. Ich bin hauptsächlich zu Fuß im Revier unterwegs, da geht es nicht ohne. 

Daher habe ich auch schon einige Varianten an Pirschstöcken/Zielstöcken/Schiessstöcken jagdpraktisch durchgejagt. Ich begann vor Jahren mit einem einbeinigen teleskopischen Triggerstick von Primos, ging dann über zum dreibeinigen teleskopischen Primos Triggerstick und schoss dann auf einer Messe ein Vierbein von PH Jakt. Alle taten ihren Job klaglos und grundsätzlich zuverlässig. An allen hatte ich aber in der Jagdpraxis immer auch was auszusetzen. 


Käpt'n Ahab: auf einem Bein kann man nicht stehen ?

Die einfachste Variante, das Einbein, war vom Einsatzversprechen am ehrlichsten. Es unterstützt die Hand am Vorderschaft zuverlässig, lässt sich einfach verstellen, ist vergleichsweise leicht und zusammengeschoben sehr kompakt. Kein Tüdelüt, straight to the Point. Aber eher nur für kurze bis mittlere Distanzen geeignet- zumindest für meine Jagdpraxis. 

Einfach, leicht, kompakt - das teleskoptische Einbein


Drei Beine für ein Halleluja

Daher kam irgendwann mit dem Dreibein ein Upgrade ins Revier. Das lies sich zum Ansprechen schnell und einfach als Einbein einsetzen und wurde zum Dreibein, wenn es ernst wurde oder wenn es mal wieder länger dauern sollte. Beim Ausklappen konnte es dann mal fummelig werden, im latenten Anschlag die Beine auszuklappen, wenn der Bodenbewuchs widerborstig war. Beim Umzusetzen entwickelten die Beine oft ein Eigenleben und wollten  gerne mal manuell nachsortiert werden. Wie gesagt, immer im latenten Anschlag - die Waffe lag also schon auf. Auf kurze bis mittlere Distanzen war das unter Umständen schon zu bewegungsintensiv für die potentielle Beute, die einen so schnell eräugte. Dafür stand das Dreibein unschlagbar eigenständig und man konnte auch mal Büchse, Jacke oder Wärmebildgerät dran hängen bei einem Päuschen. 

Drei Beine, bei dem jedes gerne mal sein eigenes Ding macht. Aber es hat ein unschlagbares Stehvermögen und ist teleskopierbar.

Wenn es mal länger dauerte, dann konnte ich im latenten Anschlag die Büchse aber nicht entspannt in der Schaftaufnahme ruhen lassen: der Schaft meiner Steyr Scout ist vorne und hinten eckig und flach, was nicht zu V-förmigen Schaftauflagen passt. Die Büchse neigte also immer zum seitlichen Kippen, wenn man sie los liess und sie nur im Gurt hing. Das war in einigen Situationen (Batteriewechsel Vorsatzgerät) nervig, aber auch kein Weltuntergang. Konstruktionsbedingt ist das Triggerstick-Dreibein durch die Mechanik von drei Teleskop-Beinen meine bis dato schwerste Einsatz-Lösung gewesen. Aber ich konnte mir lange nichts besseres vorstellen. Rundum zufrieden war ich aber aus oben genannten Gründen nicht. 


Mit vier Beinen kann man ne Menge anfangen

In Dortmund griff ich für 160€ spontan bei einem vierbeinigen Messeangebot zu. Im Revier angekommen war das Gerät fast eine Offenbarung. Einmal in der für mich passenden Höhe eingestellt konnte das Ding Einbein und Zweibein mit je einfacher oder zweifacher Schaftauflage sein. Entspannt, führig und zielsicher - toll.

Das Vierbein - sehr universell - steht nur nicht von alleine.


Die Triggersticks blieben und bleiben seit dem bis auf wenige Ausnahmen daheim. Aber auch beim Vierbein gab es in der Praxis einige Dinge, die unangenehm auffielen. Beim Tragen unter dem Arm verdrehten sich die Stangen etwas ineinander, so dass die blinde Bedienung bei Dunkelheit manchmal fummelig war. Manchmal verhedderte sich dadurch auch das Distanzseil, welches den Auszug von Vorder- und Hintergabel begrenzte. Das passiert natürlich gerne in unpassenden Momenten. 

Da man für die Höhenverstellung an allen vier Stangen schrauben muss, blieb das Vierbein immer in meiner vor eingestellten Arbeitslänge. Die vor allem für den Transport praktische Teleskopfunktion entfiel hier also - was aber eher ein Luxusproblem darstellt.

Passt irgendwie immer, aber selten wirklich gut - die Schaftauflage bei Pirschstöcken

Auch hier waren die Schaftauflagen V-förmig und das Setup kippelte gerne mal, wenn man die Hände bei aufliegender Waffe in die Tasche stecken wollte, weil es mal wieder dauerte. Zudem ist ein Vierbein nicht frei stehend, was mir das eine oder andere Mal fehlte, wenn ich mich des Nachts auf den Weg zum Anschuss machte, aber mein Blinklicht zur Markierung der Ausgangsposition auf dem freien Feld nicht am (nicht) freistehenden Vierbein festmachen konnte.


Braucht es doch ein fünftes Bein?

Die theoretische und auch praktische Lösung für den einen oder anderen oben aufgeführten Punkt wäre ein fünftes Bein gewesen. Ein fünftes Bein hielt ich aber immer für teuren und vor allem fummeligen Quatsch. 

Ich fasse zusammen, welche Punkte es für meine Belange zu lösen gab:

  • Es sollte in erster Linie zu meinem Schaft passen
  • Es sollte vier Beine haben, die sich nicht ineinander verdrehen
  • Es sollte kein Vermögen kosten,
  • in sich stabil sein, 
  • frei stehen können und, wenn möglich, 
  • leicht und 
  • einfach aufgebaut sein

Inspirationen hatte ich schon einige gesammelt, wie etwa eine Bauanleitung einer Jagdzeitschrift für ein Zweibein aus Rank-/Tomatenstangen aus dem Baumarkt. 

Unterschätzt und unschlagbar günstig: ein kunststoffummanteltes Stahlrohr für Tomatenpflanzen - auch Space X setzt wieder auf Stahl für seine Raketen

Ich fuhr also in den Baumarkt und holte mir vier 11mm x1500mm Rankstangen. Zuhause angekommen setzte ich mich ans CAD. Die Stangenpaare sollten sich abhängig voneinander bewegen, die Schaftauflage sollte dabei immer gerade bleiben. Ich entschied mich für den Einsatz von Zahnrädern, um die Beine voneinander abhängig zu verbinden. 


Der Schaft gibt den Ton an

Die Schaftaufnahme wollte ich hängend/schwimmend gestalten, um sie etwas von dem System zu entkoppeln und um den Schaft in der Form leicht zu fixieren. Da sollte nichts mehr unabsichtlich kippeln können. Die Schaftaufnahme soll dabei jeweils werkzeuglos auswechselbar sein, so dass ich den Zielstock bei Bedarf für andere Schaftformen meines Fuhrparkes anpassen kann.

Der Schaft gibt die Form vor, die Schaftauflage packt zu.

Um das Verwinden der Stangen untereinander zu verhindern habe ich einteilige Füße mit je zwei Stangenaufnahmen konstruiert. Die gesteckte Passung ist eng genug, dass sich nichts mehr verdrehen kann. 

Alles aus einem Guß / 3D Druck - da verdreht sich nichts mehr!


Stangen von der Stange

Die Rankstangen kosten jeweils keine 4€ (genaugenommen Pflanzstab M 150 G - 150cm x 1,1cm - 2,09€ und Pflanzstab L 180 G - 180cm x 1,6cm - 3,59€ - jeweils von Bellissa.com), sie sind aus mit grünem Kunststoff ummantelten Stahlrohren. Die spitzen Plastik-Kappen an den Stangenenden müssen weg-/abgeschnitten werden. Die Stangen sind sehr leicht und gefühlt weniger steif als vergleichbare Stangen aus Aluminium, was ich für die Jagdpraxis als überraschend positiv empfunden habe.

Die Stangen habe ich jeweils abgelängt auf das Maß "Halshöhe bzw. Wunschhöhe (zusammengeklappt stehend) in cm minus 8cm". Die 8cm ergeben sich aus dem zusätzlichen Gesamtaufbau von Füssen und Gehäuse. 

Am Ende kann vom Carbonrohr bis zum Haselnussstecken im Grunde alles verwendet werden, wenn es an den Enden einen Durchmesser von 11 bzw. 16mm hat. 

Der Erlkönig das erste mal Outdoors

Das Getriebe wurde jeweils mit drei einfachen Schrauben und einer Platte im Systemkasten fixiert. Der Spreizwinkel  wird durch ein Band eingestellt, welches zwischen Vorder- und Hintergabel gespannt wird. Zwei Knoten an den richtigen Stellen bestimmen den für die jeweilige Büchse passenden maximalen Spreizwinkel. Am Ende wird dann alles nur noch zusammengesteckt. Kein weiteres weiteres schrauben, kein kleben. Fertig! 

Fertig? 


Es fehlt das Fünfte Element! ;-) 

Da es bis hier hin gut lief sollte, als Fingerübung, ein fünftes Bein optional bzw. einfach abnehmbar noch dran. Also wieder in den Baumarkt, eine weitere Stange holen. Die vordere Getriebehalteplatte bekommt eine Kugelgelenkaufnahme, an das fünfte Bein das entsprechende Gegenstück. Damit sollte sichergestellt werden, dass es jede Bewegung der anderen Beine mitmachen kann und einfach an- oder abgesteckt werden kann. Schnell noch einen Fünftes-Element -Halteclip (oder Korben Dallas) für eines der Vorderbeine gedruckt und fertig. 

Korben Dallas hält das fünfte Element sicher fest - bis man es braucht.


Et voilá - #happyeverafter

Damit waren und sind alle meine Anforderungen erfüllt. 

Ich habe für wenig Geld einen leichten, einfach zusammen zu bauenden modularen Schiessstock, der (mit Ausnahme der Teleskopierbarkeit) alles bietet was ich mir gewünscht habe.
Er ist je nach Situation einsetzbar als Einbein, Zweibein, Dreibein, Vierbein und Fünfbein. 

Mein aktuelles Setup: zwei 16mm Hauptstangen und drei 11mm Stützstangen. Umwickelt mit günstigem Tarnband.

Aus der Praxis betrachtet können alle fünf Beine aus den 11mm-Rankstangen sein. Das Setup habe ich erfolgreich eingesetzt. Allerdings sind die 11mm-Rankstangen recht weich vom Flex her. Das ist von Vorteil, wenn man im vierbeinigen Anschlag ist und trotzdem kurze Wege nach rechts oder links mitschwingen muss - das gibt das flexible System dann her. Ich bin aber beim Umsetzen auch mal mit dem Fuß an einem Grasbüschel hängen geblieben, weil die Stange sich nur leicht biegen musste und sich nicht gleich gegen das Gras durchgesetzt hat.

Hier das leichte 11mm-Setup - alles 11mm Stangen. Dadurch ergibt sich eine guter Flex im Gesamtsystem.

Der Mix macht es

Mein finales Setup besteht aus drei 11mm Stangen (hintere Gabel und Fünftes Element) und zwei 16mm Stangen (vordere Gabel). Das fühlt sich für mich ideal an: weiter leicht, aber mit etwas mehr Steifigkeit. Auch ist das Stangenbündel im zusammengeklappten Zustand im Griff so wesentlich definierter was vorne und hinten angeht, was das blinde Handling wesentlich erleichtert. Man fühlt beim Aufstellen leicht, wo vorne und hinten ist.

Nicht zu unterschätzen, wenn man mal pinkeln muss: das fünfte Bein , was genau genommen eigentlich das dritte Bein ist

Manchmal vermisse ich die Teleskop-Funktion. Aber: dazu muss ich nur die passenden Teleskop-Stangen finden - der Rest ist ja schon da :-)

Materialliste:

  • 5 Rankstangen 11mm oder 16mm oder
  • 3 Rankstangen 11mm + 2 Rankstangen 16mm
  • 80cm 2mm Reepschnur
  • 6 Holzschrauben 3x12mm
  • Optional Tarntape für die Rankstangen

Aus dem 3D Drucker:

Ein Test-Setup für die fünf 16mm-Stangen-Ausführung


  • 2x Kombi-Füße für die Gabeln 
  • 2x Getriebegehäuse mit Stangen- und Schaftauflagenaufnahmen
  • 3x Schaftauflagen
  • 1x Kugelgelenk-Kappe
  • 1x Einzelfuß für das fünfte Element
  • 1x Halteclip fünftes Bein

Gesamtgewicht der 2x16 - 3x11- Ausführung: ca. 850g

Bis auf die sechs Schrauben sind alle Teile werkzeuglos zusammengesteckt. Das erleichtert die Wartung, den Austausch von kaputten Teilen und die Modifikationen. 







Find' ich gut!

Kommentare

Pascal
Neuling
vor 11 Monaten

Hallo, super Projekt, gibt es die CAD Pläne zum Download? 😇

Daniel Paleczek
Neuling
vor 11 Monaten

Sieht toll aus!
Gibt es auch wo die Pläne zum Download?

Jagawams
Enthusiast
vor 11 Monaten

Hallo zusammen,
Danke - ich kann die Fragen nach den Konstruktionsdaten absolut verstehen. Aber da steckt viel Zeit, Material und Arbeit drin. Auch, wenn die Konstruktion bei weitem kein Hexenwerk ist, (im Gegenteil) möchte ich daher keine Downloads zur Verfügung stellen.

Mir geht es in dem Artikel im Schwerpunkt um die Idee und die Anregung was inzwischen alles möglich ist. Und auch mal Out of the Box zu denken. Dieser Zielstock ist im Grunde zufällig entstanden, nachdem ich viel mit Flex-Materialien experimentiert hatte und mein (jetzt ehemaliger) Zielstock mich wieder geärgert hatte.

Pascal
Neuling
vor 11 Monaten

Ok schade, danke trotzdem für deine Antwort :)

Volker
Neuling
vor 10 Monaten

Da hat sich jemand Gedanken gemacht....gute Arbeit, sollte er kommerziell nutzen. Wenn das nicht beabsichtigt ist, dann ist es nicht schade, sondern schlicht eigensinnig die Druckdateien keiner weiteren Nutzung zu zu führen. Es sollte einen stolz machen, wenn man weiss, dass andere auf einen Zug aufspringen, den man mühsam auf die Schiene gesetzt hat.
In der 3D-Druck Szene gibt es inzwischen einige Seiten bei denen man seine Arbeiten einstellt und der Allgemeinheit zur privaten, nicht kommerziellen Nutzung zur Verfügung stellt...typisch...open source...da leben Entwicklungen von der Teilung mit anderen. Wer noch nach dem Motto lebt..."Ich weiss, ich habe gemacht, ich bin toll...macht es doch selber!"...das ist Angeberei und der ist datentechnisch auf dem Stand von vorgestern.....sorry...jeder wie er will, aber das musste raus.
Mein Sohn hat auf einer dieser Seiten einige seiner Konstruktionen veröffentlicht. Für jeden Abruf gibt es Punkte und die werden am Ende mit Filament vergütet. So hat er schon einige Spulen Material verdient. Dabei ist sein gedankliches Eigentum geschützt und darf nur privat genutzt werden. So hat jeder was davon...solltest du mal drüber nachdenken.

south-hunter
Greenhorn
vor 9 Monaten

moin, das ding ist mal durchdacht ;-) mich würde der hülsenfänger interessieren den du an der büchse hast an sowas bin ich schon länger drann aber es will keine idee ins hirn :-)

ich würde die datei für kleine taler anbieten, ich habe mal eine form für einen maßgriff hergestellt ganz altmodisch mit silcon weil drucken da nicht funktioniert ist für eine BA 13 mit lochschaft nun hab ich ein paar stk. verkauft und bissher waren alle begeistert und gewinn hat es nicht gebracht aber neulich hab ich wieder einen verkauft und einen jäger glücklich gemacht.
vielleicht überlegst du dir es doch nochmal wäre schade um die tolle konstruktion !

wmh der olli

Jagawams
Enthusiast
vor 9 Monaten

Hallo Olli,
ich habe das ganze drucktechnisch überarbeitet und biete die Teile inzwischen (in kleiner Auflage - ein Satz Teile braucht ca. 16h bis er aus dem Drucker purzelt) über meinen Online-Shop "schnellverstellhebel.de" (wie passend) an.

Der Hülsenfänger war eines der ersten 3D Druck-Projekte und hat inzwischen einige Optimierungsrunden hinter sich gebracht. Ich bin Wiederlader und musste mich immer entscheiden, ob ich dem Wild oder der Hülse hinterher schaue und hatte deswegen "Nachladehemmungen" - für keinen der Beteiligten ideal.

Das Prinzip ist einfach. Ich habe eine "Basis" an der Picatinny befestigt, die nach dem Schwalbenschwanz-Prinzip den eigentlichen Hülsenfangsack aufnimmt. Der ist inzwischen aus TPU gedruckt und besteht aus Vorderplatte, drei Verbindungsstegen und der Hinterplatte. Alles miteinander verschraubt und dann das Netz drüber gespannt.

Das Problem ist die Befestigung des ganzen. Da ich eine Weaver/Picatinny-Schiene habe, hat sich die angeboten. Bei anderen Setups könnte das ganze auch ans ZF montiert werden. Das ist aber immer eine sehr individuelle Lösung.

south-hunter
Greenhorn
vor 9 Monaten

moin jagawams,

danke für die antwort :-) das mit den hülsen geht mir genauso da werd ich mal schauen ;-) den hebel für die TQ habe ich der ist mega !

wmh der olli

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