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Wie viele Beine braucht ein Zielstock? Sollten es Teleskop-Beine oder Beine aus Carbon sein? Müssen die so teuer sein? Braucht man überhaupt einen?
Letztere Frage lässt sich für mich persönlich einfach beantworten: ja, ich brauche einen. Ich bin hauptsächlich zu Fuß im Revier unterwegs, da geht es nicht ohne.
Daher habe ich auch schon einige Varianten an Pirschstöcken/Zielstöcken/Schiessstöcken jagdpraktisch durchgejagt. Ich begann vor Jahren mit einem einbeinigen teleskopischen Triggerstick von Primos, ging dann über zum dreibeinigen teleskopischen Primos Triggerstick und schoss dann auf einer Messe ein Vierbein von PH Jakt. Alle taten ihren Job klaglos und grundsätzlich zuverlässig. An allen hatte ich aber in der Jagdpraxis immer auch was auszusetzen.
Käpt'n Ahab: auf einem Bein kann man nicht stehen ?
Die einfachste Variante, das Einbein, war vom Einsatzversprechen am ehrlichsten. Es unterstützt die Hand am Vorderschaft zuverlässig, lässt sich einfach verstellen, ist vergleichsweise leicht und zusammengeschoben sehr kompakt. Kein Tüdelüt, straight to the Point. Aber eher nur für kurze bis mittlere Distanzen geeignet- zumindest für meine Jagdpraxis.
Drei Beine für ein Halleluja
Daher kam irgendwann mit dem Dreibein ein Upgrade ins Revier. Das lies sich zum Ansprechen schnell und einfach als Einbein einsetzen und wurde zum Dreibein, wenn es ernst wurde oder wenn es mal wieder länger dauern sollte. Beim Ausklappen konnte es dann mal fummelig werden, im latenten Anschlag die Beine auszuklappen, wenn der Bodenbewuchs widerborstig war. Beim Umzusetzen entwickelten die Beine oft ein Eigenleben und wollten gerne mal manuell nachsortiert werden. Wie gesagt, immer im latenten Anschlag - die Waffe lag also schon auf. Auf kurze bis mittlere Distanzen war das unter Umständen schon zu bewegungsintensiv für die potentielle Beute, die einen so schnell eräugte. Dafür stand das Dreibein unschlagbar eigenständig und man konnte auch mal Büchse, Jacke oder Wärmebildgerät dran hängen bei einem Päuschen.
Wenn es mal länger dauerte, dann konnte ich im latenten Anschlag die Büchse aber nicht entspannt in der Schaftaufnahme ruhen lassen: der Schaft meiner Steyr Scout ist vorne und hinten eckig und flach, was nicht zu V-förmigen Schaftauflagen passt. Die Büchse neigte also immer zum seitlichen Kippen, wenn man sie los liess und sie nur im Gurt hing. Das war in einigen Situationen (Batteriewechsel Vorsatzgerät) nervig, aber auch kein Weltuntergang. Konstruktionsbedingt ist das Triggerstick-Dreibein durch die Mechanik von drei Teleskop-Beinen meine bis dato schwerste Einsatz-Lösung gewesen. Aber ich konnte mir lange nichts besseres vorstellen. Rundum zufrieden war ich aber aus oben genannten Gründen nicht.
Mit vier Beinen kann man ne Menge anfangen
In Dortmund griff ich für 160€ spontan bei einem vierbeinigen Messeangebot zu. Im Revier angekommen war das Gerät fast eine Offenbarung. Einmal in der für mich passenden Höhe eingestellt konnte das Ding Einbein und Zweibein mit je einfacher oder zweifacher Schaftauflage sein. Entspannt, führig und zielsicher - toll.
Die Triggersticks blieben und bleiben seit dem bis auf wenige Ausnahmen daheim. Aber auch beim Vierbein gab es in der Praxis einige Dinge, die unangenehm auffielen. Beim Tragen unter dem Arm verdrehten sich die Stangen etwas ineinander, so dass die blinde Bedienung bei Dunkelheit manchmal fummelig war. Manchmal verhedderte sich dadurch auch das Distanzseil, welches den Auszug von Vorder- und Hintergabel begrenzte. Das passiert natürlich gerne in unpassenden Momenten.
Da man für die Höhenverstellung an allen vier Stangen schrauben muss, blieb das Vierbein immer in meiner vor eingestellten Arbeitslänge. Die vor allem für den Transport praktische Teleskopfunktion entfiel hier also - was aber eher ein Luxusproblem darstellt.
Auch hier waren die Schaftauflagen V-förmig und das Setup kippelte gerne mal, wenn man die Hände bei aufliegender Waffe in die Tasche stecken wollte, weil es mal wieder dauerte. Zudem ist ein Vierbein nicht frei stehend, was mir das eine oder andere Mal fehlte, wenn ich mich des Nachts auf den Weg zum Anschuss machte, aber mein Blinklicht zur Markierung der Ausgangsposition auf dem freien Feld nicht am (nicht) freistehenden Vierbein festmachen konnte.
Braucht es doch ein fünftes Bein?
Die theoretische und auch praktische Lösung für den einen oder anderen oben aufgeführten Punkt wäre ein fünftes Bein gewesen. Ein fünftes Bein hielt ich aber immer für teuren und vor allem fummeligen Quatsch.
Ich fasse zusammen, welche Punkte es für meine Belange zu lösen gab:
- Es sollte in erster Linie zu meinem Schaft passen
- Es sollte vier Beine haben, die sich nicht ineinander verdrehen
- Es sollte kein Vermögen kosten,
- in sich stabil sein,
- frei stehen können und, wenn möglich,
- leicht und
- einfach aufgebaut sein
Inspirationen hatte ich schon einige gesammelt, wie etwa eine Bauanleitung einer Jagdzeitschrift für ein Zweibein aus Rank-/Tomatenstangen aus dem Baumarkt.
Ich fuhr also in den Baumarkt und holte mir vier 11mm x1500mm Rankstangen. Zuhause angekommen setzte ich mich ans CAD. Die Stangenpaare sollten sich abhängig voneinander bewegen, die Schaftauflage sollte dabei immer gerade bleiben. Ich entschied mich für den Einsatz von Zahnrädern, um die Beine voneinander abhängig zu verbinden.
Der Schaft gibt den Ton an
Die Schaftaufnahme wollte ich hängend/schwimmend gestalten, um sie etwas von dem System zu entkoppeln und um den Schaft in der Form leicht zu fixieren. Da sollte nichts mehr unabsichtlich kippeln können. Die Schaftaufnahme soll dabei jeweils werkzeuglos auswechselbar sein, so dass ich den Zielstock bei Bedarf für andere Schaftformen meines Fuhrparkes anpassen kann.
Um das Verwinden der Stangen untereinander zu verhindern habe ich einteilige Füße mit je zwei Stangenaufnahmen konstruiert. Die gesteckte Passung ist eng genug, dass sich nichts mehr verdrehen kann.
Stangen von der Stange
Die Rankstangen kosten jeweils keine 4€ (genaugenommen Pflanzstab M 150 G - 150cm x 1,1cm - 2,09€ und Pflanzstab L 180 G - 180cm x 1,6cm - 3,59€ - jeweils von Bellissa.com), sie sind aus mit grünem Kunststoff ummantelten Stahlrohren. Die spitzen Plastik-Kappen an den Stangenenden müssen weg-/abgeschnitten werden. Die Stangen sind sehr leicht und gefühlt weniger steif als vergleichbare Stangen aus Aluminium, was ich für die Jagdpraxis als überraschend positiv empfunden habe.
Die Stangen habe ich jeweils abgelängt auf das Maß "Halshöhe bzw. Wunschhöhe (zusammengeklappt stehend) in cm minus 8cm". Die 8cm ergeben sich aus dem zusätzlichen Gesamtaufbau von Füssen und Gehäuse.
Am Ende kann vom Carbonrohr bis zum Haselnussstecken im Grunde alles verwendet werden, wenn es an den Enden einen Durchmesser von 11 bzw. 16mm hat.
Das Getriebe wurde jeweils mit drei einfachen Schrauben und einer Platte im Systemkasten fixiert. Der Spreizwinkel wird durch ein Band eingestellt, welches zwischen Vorder- und Hintergabel gespannt wird. Zwei Knoten an den richtigen Stellen bestimmen den für die jeweilige Büchse passenden maximalen Spreizwinkel. Am Ende wird dann alles nur noch zusammengesteckt. Kein weiteres weiteres schrauben, kein kleben. Fertig!
Fertig?
Es fehlt das Fünfte Element! ;-)
Da es bis hier hin gut lief sollte, als Fingerübung, ein fünftes Bein optional bzw. einfach abnehmbar noch dran. Also wieder in den Baumarkt, eine weitere Stange holen. Die vordere Getriebehalteplatte bekommt eine Kugelgelenkaufnahme, an das fünfte Bein das entsprechende Gegenstück. Damit sollte sichergestellt werden, dass es jede Bewegung der anderen Beine mitmachen kann und einfach an- oder abgesteckt werden kann. Schnell noch einen Fünftes-Element -Halteclip (oder Korben Dallas) für eines der Vorderbeine gedruckt und fertig.
Et voilá - #happyeverafter
Damit waren und sind alle meine Anforderungen erfüllt.
Ich habe für wenig Geld einen leichten, einfach zusammen zu bauenden modularen Schiessstock, der (mit Ausnahme der Teleskopierbarkeit) alles bietet was ich mir gewünscht habe.
Er ist je nach Situation einsetzbar als Einbein, Zweibein, Dreibein, Vierbein und Fünfbein.
Aus der Praxis betrachtet können alle fünf Beine aus den 11mm-Rankstangen sein. Das Setup habe ich erfolgreich eingesetzt. Allerdings sind die 11mm-Rankstangen recht weich vom Flex her. Das ist von Vorteil, wenn man im vierbeinigen Anschlag ist und trotzdem kurze Wege nach rechts oder links mitschwingen muss - das gibt das flexible System dann her. Ich bin aber beim Umsetzen auch mal mit dem Fuß an einem Grasbüschel hängen geblieben, weil die Stange sich nur leicht biegen musste und sich nicht gleich gegen das Gras durchgesetzt hat.
Der Mix macht es
Mein finales Setup besteht aus drei 11mm Stangen (hintere Gabel und Fünftes Element) und zwei 16mm Stangen (vordere Gabel). Das fühlt sich für mich ideal an: weiter leicht, aber mit etwas mehr Steifigkeit. Auch ist das Stangenbündel im zusammengeklappten Zustand im Griff so wesentlich definierter was vorne und hinten angeht, was das blinde Handling wesentlich erleichtert. Man fühlt beim Aufstellen leicht, wo vorne und hinten ist.
Manchmal vermisse ich die Teleskop-Funktion. Aber: dazu muss ich nur die passenden Teleskop-Stangen finden - der Rest ist ja schon da :-)
Materialliste:
- 5 Rankstangen 11mm oder 16mm oder
- 3 Rankstangen 11mm + 2 Rankstangen 16mm
- 80cm 2mm Reepschnur
- 6 Holzschrauben 3x12mm
- Optional Tarntape für die Rankstangen
Aus dem 3D Drucker:
- 2x Kombi-Füße für die Gabeln
- 2x Getriebegehäuse mit Stangen- und Schaftauflagenaufnahmen
- 3x Schaftauflagen
- 1x Kugelgelenk-Kappe
- 1x Einzelfuß für das fünfte Element
- 1x Halteclip fünftes Bein
Gesamtgewicht der 2x16 - 3x11- Ausführung: ca. 850g
Bis auf die sechs Schrauben sind alle Teile werkzeuglos zusammengesteckt. Das erleichtert die Wartung, den Austausch von kaputten Teilen und die Modifikationen.