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...Serien fressen Zeit.
...haben nur das Ziel, dass Du weiter guckst.
Tatort gucken habe ich irgendwann eingestellt und nach vier Staffeln "The Crown" hatte ich zwar meine Englisch-Kenntnisse verbessert, parallel bei Wikipedia interessante Artikel gelesen und einige Modetipps abgegriffen aber auch 40 Stunden Lebenszeit vergeudet.
Nach so einer Berechnung schwört man sich, nie wieder eine Serie anzufangen und zappt ein paar Wochen später doch durch Netflix. Bloß keine Serie, nur Filme... und dabei entdeckt man MeatEater.
Viele Jagd-DVDs waren mir aus ehemaligen beruflichen Kontexten bekannt und das HOD-Abo habe ich nach dem Probemonat wegen Nicht-Gefallen bzw. Preis-Leistung gekündigt. Ich dachte eigentlich, dass ich ziemlich gut weiß, was es am Markt gibt und muss gestehen, dass ich von einzelnen Ausnahmen abgesehen (z.B. JagenNRW) mit dem Thema "Jagdfilme" ziemlich abgeschlossen hatte.
Bei MeatEater ist es für mich anders. Dort bin ich dann doch hängen geblieben und möchte meine Eindrücke mit euch teilen, damit auch ihr wieder ein paar Stunden mehr vor dem TV verbringt... :)
Was mich an MeatEater überzeugt
- Die Schnittführung sorgt für Spannung und man ist immer "live dabei", sie hat aber dennoch einen wesentlichen Fokus auf Landschaftsbildern und auf das Erleben drumherum. Sehr angenehm ist die Zurückhaltung beim Filmen. Wiederholungen von (Ab-)Schüssen, zwei bis drei Mal einen Hirsch beim Verenden zu sehen oder die schnelle Schussabgabe aus verschiedenen Winkeln zu sehen, ist nicht Teil des Konzepts - dafür wird durchaus mal mehrere Sekunden nur ein zitternder Rucksack gezeigt - als ganz neue filmerische Variante das Jagdfieber zu dokumentieren.
- Die Jagdethik ist - trotz einer nicht vorhandenen Tradition der sog. Waidgerechtigkeit - in meinen Augen hoch (und soweit man filmischen Inszenierungen grundsätzlich glauben kann, sind die diesbezüglichen Emotionen ehrlich). Die Freude über erlegte Stücke wird nicht mit HighFive gezeigt, sondern mit "fühlbarem" Respekt dem Wild gegenüber. Die Liebe zum Geschöpf wird auch in einer Szene deutlich, als ein Bär "bedrohlich" (?) nahe kommt. Statt panisch in den Anschlag zu gehen, sich zu verteidigen und hinterher über den konkurrierenden Prädator zu schimpfen, wird dieser mit (erstaunlich) gelassenen, locker zugerufenen Worten vertrieben und der dahinziehende Bär mit einem "Ich liebe diese Tiere" bedacht.
- Alles wird konsequent gegessen und zubereitet. Wer kennt es nicht, das Bärensteak oder das Hinteraugapfelfett vom Karibu? Es gibt bei der Serien einen klaren Fokus auf das Erlegen, Zubereiten und Essen - wirklich alles wird probiert und versucht. Dabei kann man noch einiges lernen, sich Rezepttricks abschauen und das zeitgeistige Konzept `Nose-to-Tail` in seinem Ursprung erleben. Nahezu jede Folge endet mit einer Zubereitung - am offenen Feuer in der Wildnis oder am Grill. Wer da beim Zusehen nicht schnell zum Kühlschrank läuft und irgendwas zum Essen holt, hat das Kochen nie geliebt ;-)
Was mich an MeatEater begeistert
- Die Landschaften sind atemberaubend, das zu beobachtende Abenteuer erscheint real. Bei einer Jagdreise im Nirgendwo einen Stromzaun gegen Bären aufzustellen ist schon was anderes als 500m zur vollisolierten, beheizten Kanzel zu laufen. Verdreckte Sachen im nassen Zelt, Fachsimpeln über unterschiedliche offene Feuer in unterschiedlichen Landesteilen und Darsteller, die sichtlich genervt sind vom jagdlichen Misserfolg. Beim Schauen der Serie packt mich Fernweh und Abenteuerlust.
- Die Art der Jagd unterscheidet sich sehr von dem, was ich kenne. Zwar ist auch Drückjagd, technische Pirsch auf Sauen oder der klassische Rehwildansitz spannend und ich möchte es nicht missen, aber mit dem Helikopter im Nirgendwo abgesetzt werden und dort auf sich gestellt mit den Sinnen des Wildes konkurrieren zu dürfen, ist "eine andere Liga". Hierbei zuzuschauen setzt auch die eigene Jagd nochmals ins Verhältnis, dank Wärmebild und Wildkamera sind wir (mich eingeschlossen) sehr viel technifizierter und räumlich beschränkter, als man es dort ist (oder als es dort zu sein scheint). Die erlegten Hirsche werden im Feld zerlegt und in Einzelteilen auf dem Rücken transportiert - zuhause mit Pickup und 15 Min. zur eigenen Wildkammer undenkbar. Daher für mich absolut faszinierend.
- Für eine Ausrüstungsseite gehört natürlich auch ein Blick dazu. Die meisten der dort verwendeten Marken, insbesondere die Kleidung, waren mir nicht bekannt und die verwendete Technik (z.B. Vortex) fliegt bei uns meist unter dem Radar. Die Entfernung der Schüsse und die Art der Schussanbringung (nicht immer klassischer Blattschuss), die Aufbewahrung von Wild an der frischen Luft in 4,5m Baumhöhe in Gamebags, die Verwendung von Spektiven, die (für mich) neuartigen Blatter, die Tarnkleidung uswusf (z.T. ohne unseren Fokus auf Geräuscharmut) unterstreichen die anderen Bedingungen der dortigen Jagd (und die Beherrschung des eigenen Equipments) und inspirieren für die eigene Jagdausübung (z.B. die Adaption des dortigen Fernglastransports für die heimische Pirsch - dazu folgt ggf. ein Bericht meinerseits). Der Blick über den Tellerrand lohnt hierbei - als "Freund von Material" darf man hier auch begeistert sein.
Was mich stört
- Es gibt nahezu keine Hundearbeit, insbesondere nicht im Sinne einer Nachsuche. Zwar sind die Folgen mit Hunden äußerst spannend (Feldsuche mit Braccos, Waschbärensuche mit Terriern (werden zum Jagdort in der Satteltasche von Maultieren transportiert, herrlich)), aber eine Nachsuche im "deutschen / kontinental-europäischen Sinn" habe ich noch nicht entdeckt.
- Die Übersetzungen sind teilweise noch ausbaufähig, insbesondere in den älteren Staffeln wird im deutschen Untertitel keine Waidmannssprache verwendet. Dies bessert sich jedoch sukzessive. Wie die deutsche Synchronisation ist weiß ich nicht. Sie ist aber vorhanden.
- Die Jagd mit Vorderladern mag zwar eine schöne, lokale Tradition sein, wird aber - wie in der Folge offensichtlich - dem Wild nicht gerecht. "Selbst" die Bogenjagd scheint mir besser (die Diskussion hierzu wurde an anderer Stelle ausführlich geführt, ich bin kein absoluter Gegner der Bogenjagd, für mich wäre es aber nichts).
Fakten zu MeatEater
- Die Serie MeatEater wird von Steven Rinella produziert. Seit Staffel 7 erscheint sie auf Netflix. Vorher erschien sie auf Sportsman Chanel.
- Es gibt 10 Staffeln mit 5 - 16 Folgen. Die Folgen sind ca. 30 Minuten lang. Manche Folgen sind zusammenhängend, manche unabhängig voneinander.
- Die Jagden spielen sich im wesentlichen in Nordamerika auf dort heimisches Wild ab. Es gibt jedoch auch Reisen nach z.B. Mexiko oder Neuseeland.
- Die Jagden finden überwiegend als Pirsch- kombiniert mit Lockjagd statt. Es gibt Bogenjagd, Vorderladerjagd sowie "klassische" Gewehrjagd. Teilweise wird geangelt (Unterwasserangeln in der Brandung vor Hawaii - sehenswert).
- Steven Rinella ist die jagende Hauptperson. Er wird aber regelmäßig von Freunden oder anderen Personen (teilweise offensichtlich Kunden) begleitet.
Schluss
Ich hoffe, mit diesem ersten Bericht einmal etwas Neues auf der Seite beigetragen zu haben und so etwas für die vielen, gerne gelesenen Berichte zurückgegeben zu haben. Jeder (Tier-)film ist letztlich Betrug und ob man bei dieser Serie tagelang mit Helikopter und Wärmebild für den perfekten Film spottet weiß ich nicht - das im Hinterkopf ist der Unterhaltungswert aber ausreichend hoch, um die Serie zu empfehlen.
Weiterlesen
Hier findet ihr natürlich einen Shop, Podcasts, Videos, legislative Hinweise und vieles mehr. Ich habe den Shop mal quer durchgeguckt. Interessant könnten die Blatter, die ohne Hände direkt im Mund gespielt werden, ein paar Taschen oder die Tarnkleidung sein.
PS:
Steven Rinella: If you ever read this, please follow my invitation to germany. I'd love you as a companion on a driven hunt with dogs.