Laufender Keiler auf 300m? Geht klar – wenn du weißt, wie!

Hallo Geartester,
Laufender Keiler auf 300 Meter? Klingt wie ein Scherz, oder? Doch genau das fragen uns immer wieder Teilnehmer in unseren Seminaren zum Thema „Schießen bis 300 Meter für Jäger“. Nachdem viele beim statischen Schuss erstaunliche Ergebnisse erzielen, kommt oft die Frage: „Geht das auch bei einem Ziel, das sich bewegt?“ Die Antwort: Ja, es geht! Aber natürlich brauchst du dafür eine ordentliche Mischung aus Theorie, Technik und Übung. Also schauen wir uns das Ganze mal genauer an.

Die einzige bekannte jagdliche Schießdisziplin, bei der auf bewegliche Ziele über 60 Meter geschossen wird, ist übrigens der schwedische Schießnachweis. Hier müssen Jäger auf eine sich quer bewegende Elchscheibe schießen – freihändig und auf 100 Meter! Solche Schießbahnen gibt es in Schweden und Dänemark, wie zum Beispiel in ULFBORG, einem Schießstand, der auch bei deutschen Jägern beliebt ist. Auf dem Truppenübungsplatz in Boris kannst du sogar bis 300 Meter auf laufende Scheiben üben. Klingt spannend? Dann lass uns tiefer in die Materie eintauchen!

Was sagt die Theorie?

Erstmal der trockene Teil: die Theorie des Vorhalts. Wie weit du „vorhalten“ musst, hängt von zwei Hauptfaktoren ab: der Distanz zum Ziel und der Geschwindigkeit des Geschosses. Um das Ganze greifbar zu machen, nehmen wir als Beispiel eine .30-06 Patrone (Hornady GMX SP mit 165gr und einer Mündungsgeschwindigkeit von 902 m/s).

Schauen wir uns die Vorhaltewerte an:

  • Auf 50 Metern: Du musst etwa 17 cm vorhalten (das entspricht ungefähr dem 8er Ring der DJV-Scheibe Nr. 5).
  • Auf 100 Metern: Der Vorhalt steigt auf 35 cm – das liegt etwa auf Höhe der Lichter.
  • Auf 300 Metern: Hier musst du bereits 113 cm vorhalten, also ungefähr eine halbe Wildkörperlänge vor der Scheibe.

Soweit, so klar? Je weiter das Ziel entfernt ist, desto mehr Vorhalt brauchst du – logisch. Aber halt, da gibt’s noch mehr!

Und was ist mit dem Geschossabfall?

Hier kommt der Geschossabfall ins Spiel. Deine Patrone hat eine „Günstigste Einschussentfernung“ (GEE) von 188 Metern. Das bedeutet, dass das Geschoss bis zu dieser Distanz nicht mehr als 5 cm über oder unter der Visierlinie abweicht. Auf 300 Metern allerdings bist du schon 23,6 cm unter der Visierlinie. Heißt: Neben dem Vorhalt musst du bei großen Distanzen auch den Geschossabfall einrechnen. Klingt kompliziert? Keine Sorge, dafür gibt’s Hilfsmittel.

Wie gehst du es an? Praxis-Tipps!

Um auf 300 Meter bewegliche Ziele zu treffen, brauchst du nicht nur die Theorie, sondern auch die richtige Technik und Ausrüstung. Hier sind die wichtigsten Tipps:

Distanz messen

Ein Entfernungsmesser ist dein bester Freund. Miss die Distanz immer, bevor du schießt – auch bei unter 100 Metern. Nur so kannst du sicherstellen, dass du den Vorhalt und die Korrektur für den Geschossabfall richtig berechnest.

Geschwindigkeit einschätzen

Bewegungsmuster zu verstehen, ist Übungssache. Ein Troll (3 m/s), ein eiliger Troll (6 m/s) oder hoch flüchtig (12 m/s) – diese Werte kannst du mit etwas Training zuverlässig schätzen. Videos im Netz sind dabei ein guter Startpunkt, um ein Gefühl für die Bewegungsgeschwindigkeiten zu bekommen.

Vorhalt korrekt setzen

Hier spielt deine Optik eine große Rolle. Klassische Absehen wie das Absehen 1 oder Varianten wie 4 und 8 haben Vorhaltemarken, die dir helfen können. Damit kannst du im GEE-Bereich, also bis etwa 218 Meter, den richtigen Vorhalt wählen, ohne groß nachzudenken. Noch besser wird’s mit moderneren Absehen wie dem MHR (Multi Hunting Reticle). Das MHR bietet zusätzliche Vorhaltemarken für unterschiedliche Geschwindigkeiten und macht dir das Leben deutlich leichter.

Welche Schießtechnik ist die richtige?

„Einfach draufhalten und mitschwingen“ – hast du das auch schon mal gehört? In der Praxis ist das aber oft zu ungenau, vor allem auf größere Distanzen. Hier kommen spezielle Schießtechniken ins Spiel, die sich bei beweglichen Zielen bewährt haben. Die bekannteste Methode für Distanzen über 100 Meter ist die Ambush-Technik. Dabei hältst du mit der richtigen Vorhaltemarke auf die Bewegungslinie des Ziels, wartest, bis es in deinen „Sweet Spot“ läuft, und drückst ab. Klingt simpel, braucht aber Übung.

Andere Techniken wie „Pull-Away“ oder „Swing-Through“ kommen eher aus dem Flintenschießen und eignen sich vor allem für kürzere Distanzen. Philip Velayo hat zu den unterschiedlichen Schwungetchniken ein sehr gutes Video erstellt, es lohnt mal hineinzuschauen:

Warum ist die Ausrüstung so wichtig?

Neben der richtigen Technik macht deine Optik den Unterschied. Absehen wie das MHR wurden speziell dafür entwickelt, Vorhaltemarken für unterschiedliche Geschwindigkeiten zu bieten. Dadurch kannst du unabhängig von der Entfernung sicher vorhalten – solange du im GEE-Bereich bleibst. Schießt du über diesen Bereich hinaus (wie auf 300 Meter), musst du den Geschossabfall ebenfalls berücksichtigen. Moderne Absehen haben dafür MIL-Skalen, die dir helfen, die nötige Korrektur zu ermitteln.

Ein Beispiel: Auf 300 Metern fällt unser Geschoss aus dem Beispiel 23,6 cm, das entspricht 0,79 MIL oder 8 Klicks. Mit der Kombination aus Vorhalt und Geschossabfallkorrektur kannst du sogar weit entfernte Ziele sicher treffen.

Fazit: Geht’s oder geht’s nicht?

Ein Schuss auf 300 Meter auf eine laufende Scheibe ist anspruchsvoll, aber nicht unmöglich. Voraussetzung ist, dass du die Theorie verstehst, die Technik beherrschst und mit deiner Ausrüstung vertraut bist.  Auf dem Schießstand kannst du diese Disziplin aber trainieren – und glaub mir, es macht richtig Laune!

Ob es in der Jagdpraxis sinnvoll ist, auf diese Distanzen zu schießen, ist fragwürdig bzw. sollte unterbleiben. In sportlichen Disziplinen wie PRS Shooting wird jedoch regelmäßig auf bewegliche Ziele bis zu 800 Metern geschossen – und das erfolgreich. Lass dich also inspirieren, übe fleißig und finde heraus, was für dich möglich ist.

Reizt dich der Versuch auf 300 Meter? Teile deine Erfahrungen oder Fragen in den Kommentaren!

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